Nils-Peter Hey: „Kleine Verlage, die digitalisieren wollen, können bei uns andocken“

Zusammen mit seiner Frau Agnes führt Nils-Peter Hey das 103 Jahre alte Münchner Familienunternehmen „Richard Pflaum Verlag“ in 5. Generation.
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Nils-Peter Hey

Zusammen mit seiner Frau Agnes führt Nils-Peter Hey das 103 Jahre alte Münchner Familienunternehmen „Richard Pflaum Verlag“ in 5. Generation. Das Verleger-Ehepaar hat das gesamte Geschäft digitalisiert und bietet anderen Verlegern und Gründern an, die aufgebauten technologischen Systeme zu nützen.

Als sich Agnes Laubner 2013 entschloss, den 1919 gegründeten Richard Pflaum Verlag in München zu übernehmen, holte sich die studierte Maschinenbauerin mit dem Marketingexperten Nils-Peter Hey erst einmal unabhängige Expertise ins Haus. Bis ins hohe Alter hatte ihr Großvater Erwin Bohinger die Geschicke des Verlags beeinflusst, dessen Kernprodukte die Fachzeitschriften „pt – Zeitschrift für Physiotherapeuten“ und „N Naturheilpraxis“ für Heilpraktiker waren. Dazu kam noch LICHT als Fachmedienangebot für die Licht-Branche. Allesamt Titel, die über 70 Jahre im Markt sind und in ihren Bereichen die Nase vorn haben.

Eigentlich stand der Verlag als Marktführer in seinen Nischen ganz gut da. Aber es gab keinerlei Digitalstrategie. „Das hatte man total verschlafen, aber die Marken hatten hohe Substanz und Potenzial“, erinnert sich Nils-Peter Hey. Das Team aus Geschäftsführerin und Berater stellte sich schon bald als besonders harmonisch heraus, was zur Heirat und diversen Nebenprojekten führte.

Aufbau des digitalen Workflows aus dem Nichts

So machten sich die Beiden daran, die Digitalisierung des Verlags in Angriff zu nehmen. „Wir hatten das Glück, dass uns eine kleine Kriegskasse zur Verfügung stand“, erzählt Hey. „Damit haben wir aus dem Nichts den gesamten digitalen Workflow in fünf Jahren neu aufgebaut und unser Verlagsgeschäft komplett digitalisiert.“ Das reicht von der Verwaltung über den Kundenservice, die Produktion von Medienprodukten bis zur Distribution der Inhalte auf allen Kanälen aus einer zentralen Datenbank. „Unsere Autoren können direkt ins System schreiben“, sagt der Verleger. „Das ganze traditionelle Hin- und Herschicken von Word-Dateien entfällt und Inhalte könnten ohne nennenswerte Verwaltung auf unterschiedliche Plattformen ausgespielt werden.“ Viel Geld haben die beiden Verleger dabei investiert, natürlich nicht ohne dabei auch schwere Transformationsschmerzen ausgehalten zu haben.

Das Ehepaar Agnes und Nils-Peter Hey vor dem denkmalgeschützten Gebäude des Pflaum Verlags in der Münchner Lazarettstraße.

103 Jahre nach der Verlagsgründung ist der Richard Pflaum Verlag ein crossmedial agierendes Fach-Medienhaus. Seit 1946 residiert der Verlag an seinem Stammsitz an der Lazarettstraße auf dem historischen Garnisonsgelände im Münchner Stadtteil Neuhausen. Bis 1996 war auf dem Gelände auch noch die verlagseigene Druckerei angesiedelt. Heute sind in den denkmalgeschützten Backsteingebäuden neben dem Verlag diverse Startups und etablierte Unternehmen untergebracht. Rund 800 Quadratmeter nützt der Verlag selbst, der Rest besteht aus Einzelbüros mit Co-Working-Räumen. Das Vordergebäude wurde aufwendig saniert und gilt heute als Musterbeispiel für eine kreative, offene Arbeitsatmosphäre mit viel Licht in einem Gebäude mit Charakter.

Sechs Kernmarken, 14 Portale und sechs Apps

Inzwischen hat der Pflaum Verlag einen weiteren Titel auf den Markt gebracht: die „Leistungslust“, eine Fachzeitschrift für Sport- und Fitnesstrainer. Zudem hat das Verlegerduo zwei Verlage im Rahmen einer Unternehmensnachfolge übernommen: „shapeUP“ als Fachmedienangebot und Kundenbindungssystem für Betreiber von Fitnessstudios und „Die News“ als umfassendes Angebot für Familienunternehmer.

Insgesamt produziert der Verlag heute mit rund 30 Mitarbeitenden in seinen sechs Kernmarken etwa hundert Ausgaben und 10.000 Seiten pro Jahr und bedient 14 Portale und sechs Apps. Zudem gibt es Bücher, Newsletter, Veranstaltungen sowie Content-Dienste und Publishing-Dienstleistungen für Dritte.

Jede Branche braucht ihren eigenen Mix

„Jede Branche hat ihren eigenen Mix, mit dem sie kommuniziert“, erklärt Hey. „Das ist wie eine DNA.“ So seien die Heilpraktiker noch ziemlich analog, die Licht-Techniker dagegen extrem digital. Aber da man hier viele Projektbeispiele zeige, spielen Printmagazine ihre visuelle Stärke voll aus, um die Projekte gut präsentieren zu können. „Unsere Kunst ist es, alle Kanäle, die gebraucht werden könnten, technisch zu beherrschen“, so der Verleger. „Das ist wie ein Mischpult. Die einen brauchen mehr Zeitschrift, die anderen mehr Newsletter oder eine App. Der Mix ändert sich ständig.“

Für einen Verlag stelle sich dabei immer die Frage, wie schnell man auf ein neues Format – wie zuletzt Clubhouse – aufspringen soll. So hätten die „early adopter“ schließlich nur dann Vorteile, wenn sich ein Format auch erfolgreich entwickelt. Aber das weiß natürlich am Anfang keiner.

Für Hey ist es ein Glücksfall, dass der Pflaum Verlag als kleines Medienhaus die Chance hatte, technologisch aufzurüsten und sein Verlagsgeschäft zu digitalisieren. Dadurch habe man sehr viel gelernt und auch erkannt, dass viele kleine Verlage vor denselben Herausforderungen stehen, die sie aufgrund ihrer Größe und fehlender Finanzmittel oft kaum stemmen können.

Verleger und Gründer können Technologie mieten

Daraus entstand das neue Angebot RPV Media Tech, ein Technologie- und Dienstleistungsangebot für Fachverlage. „Verlage, die in einer ähnlichen Situation sind, wie wir es waren, oder Gründer, die gern ein Medienangebot, Magazin oder einen Webservice machen würden, können am Pflaum Verlag andocken und sich damit den ganzen Aufwand sparen“, erklärt der Unternehmer.

Sie können ihr Vorhaben in eine Partnerschaft einbringen oder sie können Technologie mieten und Dienstleistungen beziehen. Das geht bis hin zur Buchhaltung und zum Schreibtisch und Büro direkt im Pflaum Park. „Interessierte müssen eigentlich nur ihre Redaktion und ihren Vertrieb mitbringen“, sagt Hey. „Alles andere liefern wir.“ Dementsprechend sind die Kosten immer vom Einzelfall abhängig.

Die Zukunft für Fachmedien sieht der Marketingexperte eher positiv, sofern es die Verlage schaffen, technologisch fit zu sein. „Als Fachverlag dienen wir den Berufsträgern der jeweiligen Branchen zur Fort- und Weiterbildung. Und dieser Bildungsbedarf ist immer da“, erklärt der Verleger. Insofern könne man einen Fachverlag nicht mit einem Tageszeitungsverlag vergleichen. Natürlich verändere sich die Mediennutzung und man wisse nicht, ob die Fachzeitschrift in zehn Jahren noch dieselbe Bedeutung hat wie heute. Aber aus den vergangenen 20 Jahren wisse man, dass die Transformation in Fachverlagen wesentlich langsamer ablaufe. „Unsere Informationen sind einfach haltbarer und erzeugen für den Seher, Leser und Hörer beruflichen Nutzwert“, so Hey.

Höchste Abo-Quoten dank journalistischer Qualität

Bisher seien die eigenen Printauflagen relativ stabil. Der allgemein zu beobachtende Auflagenrückgang bei den Fachmedien sei auch darauf zurückzuführen, dass die Auflagen in den 1990er Jahren künstlich aufgebläht worden sind, um die Mediaerlöse zu steigern. „Da wurde massiv für die Tonne produziert, weil die Werbekunden es bezahlt haben. Hauptsache, die Auflagen waren hoch“, erklärt Hey. Wenn die Auflagen in letzter Zeit zurückgegangen sind, habe das daher auch sehr viel mit dem Abbau dieser Hyperauflagen zu tun und nicht zwingend nur mit der zunehmenden Digitalisierung. Die finde er gar nicht so dramatisch, weil auch neue Werbeformen nachwachsen und neue Reichweiten entstehen.

„Wir haben in unseren Branchen mit die höchsten Abo-Quoten, die man sich wünschen kann“, freut sich Hey. „Und wir planen definitiv neue Printmagazine, weil sie auch nachgefragt werden.“ Die Kunst dabei werde es sein, Printprodukte zu machen, die auch gelesen werden wollen. Letztlich gehe es dabei um die journalistische Qualität. So verdanken Medien wie die New York Times, die NZZ oder Die ZEIT ihre enormen Zuwächse bei den Online-Abos eben vor allem ihrem guten Journalismus. Dasselbe gelte für die Fachverlage, wo viele Medien leider zur Industrieprosa-Presse verkommen seien.

Neue Bücher nur mit großer Substanz

Auch Bücher will der Pflaum Verlag weiter produzieren, aber es müssten eben gute Bücher mit großer Substanz sein. Dabei sei es nicht immer einfach, sich von der inflationären Experten-Literatur abzugrenzen. „Viele selbsternannte Experten wollen heute ein Buch machen, weil das die Visitenkarte des Experten ist“, beobachtet Hey, der sich in seinem eigenen Buch „Seit ich lüge, läuft der Laden“ kritisch mit der Speaker- und Expertenszene auseinandergesetzt hat. Für den Durchschnittskonsumenten sei es schwer durchschaubar, ob es sich bei dem Autor wirklich um einen Experten handelt. „Der fragt sich natürlich, warum er bei uns 45 Euro für ein Buch zahlen soll, wenn er einen ähnlichen Titel kostenlos auf der Website eines vermeintlichen Experten herunterladen kann“, so der Verleger, der auch einer der wenigen öffentlich bestellten und vereidigten Marketing-Sachverständigen in Deutschland ist. „Daher müssen wir bei unserer Kommunikation darauf achten, dass wir unsere Qualität zeigen und die Kunden auch verstehen, dass wir ein Qualitätsanbieter im Markt sind.“

Die Substanz im Produkt komme dabei maßgeblich aus der guten Substanz im Mitarbeiterstamm und die sei beim Pflaum Verlag sehr stark, auch weil man sich als Familienunternehmen verstehe. „Wir haben viel Zeit und Liebe investiert, um unseren Mitarbeitern das zu erklären“, sagt der Verleger. „Wir müssen zwar kurzfristig unsere Probleme lösen, aber langfristig müssen wir das tun, was jede gute Marke tun muss: Vertrauen in unsere Medienmarken zu schaffen.“

Autor:innen

Bärbel Schwertfeger
Bärbel Schwertfeger

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