Als Coach hat der Psychologe Christopher Rauen ein Coaching-Magazin aufgebaut, das sich inzwischen dank ausreichend Abos finanziell trägt. Doch der Weg dorthin war lang und steinig. Den Durchbruch brachte vor allem die kostenlose Bereitstellung vieler Inhalte.
Dass er einmal Verleger wird, hatte sich Christopher Rauen damals nicht gedacht. 1996 machte sich der Diplom-Psychologe als Coach selbständig. Damals war Coaching noch ein eher unbekanntes und weitgehend auf Führungskräfte beschränktes Angebot. Der Coach sollte sie dabei unterstützen, mit ihren Herausforderungen und Problemen im Job besser umgehen zu können. Weil er schon immer technikaffin gewesen sei, habe er sich bis zum Jahr 2000 mehrere hundert Internetadressen rund um das Thema Coaching gekauft, erzählt Rauen. Darunter war auch die Adresse www.coaching-magazin.de, obwohl er damals keine Absicht hatte, selbst ein Magazin über Coaching herauszugeben.
Er begann Informationen über die damals noch recht neue Dienstleistung Coaching unter der Domain Coaching-Report zusammenzutragen und im Internet frei verfügbar zu machen. „Mein langfristiges Ziel war es, damit rund tausend Leser im Monat zu erreichen“, erzählt der Psychologe. „Dann war ich überrascht, dass ich schon im ersten Monat 1500 Leser hatte.“ Er baute die Seite weiter aus und startete im Juni 2001 einen kostenlosen Newsletter. Ziel waren bis zum Jahresende tausend Abos. Die hatte er schon im Oktober erreicht, am Jahresende waren es 1300 Abos.
Erst der Newsletter, dann das Heft
„Das war natürlich ein schöner Erfolg für mich“, sagt Rauen. Im November 2003 waren es bereits 10.000, im Dezember 20.000 Abos. Ob er damals Anzeigen verkauft hat, weiß er heute nicht mehr. „Die eigentliche Relevanz für mich war immer die Reichweite“, so der Coach. Doch dann kam das verpflichtende Double-Opt-In-Verfahren, bei dem Abonnenten ihre E-Mail-Adresse noch einmal bestätigen müssen. Das habe damals zur starken Abnahme des Zuwachses geführt, weil rund 30 Prozent eben nicht auf den Bestätigungslink geklickt hätten. Den kostenlosen monatlichen Newsletter gibt es noch immer. Heute hat er 36.000 Abos.
2007 kam der Geschäftsführer eines Verlags mit der Idee eines gemeinsamen Coaching-Magazins auf ihn zu. „Wir haben acht Stunden verhandelt und ich empfand das Gespräch als ziemlich unangenehm“, erinnert sich Rauen. Letztlich hätte der Verlag seine Konditionen durchsetzen wollen, die für ihn nicht akzeptabel waren. Doch die Idee eines Coaching-Magazins faszinierte ihn und er beschloss: Dann mache ich es eben selbst. Die Internetadresse hatte er ja bereits und auch Kontakt zu einem Redakteur, der gerade eine neue Aufgabe suchte.
Start des Coaching Magazins
Im Frühjahr 2008 startete man mit der ersten Ausgabe, einem PDF zum Download. Die dritte Ausgabe sollte zu einem wichtigen Coaching-Kongress mit rund 400 Teilnehmern erscheinen. „Wir dachten, es wäre doch super, wenn wir das Magazin dort als Printmagazin bereitstellen“, erinnert sich Rauen. 3000 Magazine wurden gedruckt. Auf dem Kongress verteilte man Probeexemplare und versuchte, Abos abzuschließen. Das Ergebnis war extrem ernüchternd. „Wir haben 23 Abos abgeschlossen und hatten einen fünfstelligen Betrag für die Druckkosten bezahlt“, erinnert sich der Verleger. Das sei der Punkt gewesen, wo ihm klar geworden sei: Das wird jetzt eher ein Marathon als ein Hundertmeterlauf.
Aufgeben wollte er nicht, weil er der Überzeugung war, dass die Branche inzwischen „groß genug für ein eigenes Magazin“ sei. Er blieb bei der Printausgabe. Sein Ziel war wiederum seine „magische Zahl“ von tausend Abos. Denn damit bekomme er zumindest seine Kosten für Redaktion und Druck finanziert. Klar sei aber auch gewesen, wenn sich das in absehbarer Zeit nicht erreichen ließe, müsste er aufgeben. „Das war dann eine echte Ochsentour und wir haben um jeden Abonnenten gekämpft“, sagt Rauen.
Schwarze Zahlen erst nach sieben Jahren
Man habe auf den eigenen Websites für das Magazin geworben, sei Kooperationen eingegangen, habe das Heft bei Veranstaltungen präsentiert und große Interviews mit bekannten Coaches gedruckt. 2010 sei man auf ein größeres Format gewechselt, damit das Magazin besser auffällt. Das Layout wurde edler, das Papier hochwertiger. „Dieses Redesign war ganz wichtiger Schritt für uns“, resümiert Rauen heute. Aber dennoch ging es nur langsam bergauf mit den Abos.
2011 bekam er eine Initiativbewerbung von dem jungen Literaturwissenschaftler Dawid Barczynski. „Das war ein interessanter Typ, mit dem ich mich sofort sehr gut verstanden habe“, sagt Rauen. Er stellte ihn als festen Mitarbeiter ein. Er sollte den Chefredakteur unterstützen, der freiberuflich für die vier Ausgaben im Jahr tätig war. Doch der sah in dem Neuen einen Konkurrenten und forderte deutlich mehr Geld. Rauen lehnte ab.
„Mein Grundprinzip ist, dass ich nur das Bärenfell verteilen kann, was auch da ist“, erklärt er. „Ich kann keine Schulden machen. Dann kann ich nicht mehr gut schlafen.“ Der Chefredakteur ging, im Dezember 2012 übernahm Dawid Barczynski seinen Job. „Er hat das sehr gut gemacht und das Heft enorm weiterentwickelt“, so Rauen. 2015 sei er dann auf eine schwarze Null gekommen, „lächerliche sieben Jahre nach dem Start“. Und er stellte mit Alexandra Plath und David Ebermann zwei Redakteure ein.
Erfolgsmodell kostenloser Content
Ein neuer Meilenstein kam 2016. Da habe man für viel Geld ein komplett neues Content-Management-System installiert. „Ich fand das immer wunderbar, dass Menschen ihr Wissen im Internet frei zur Verfügung gestellt haben“, sagt Rauen. „Wissen ist eine Ressource, die mehr wird, wenn man sie teilt.“ Daher habe er damals auch den Coaching-Report kostenlos zur Verfügung gestellt.
Vom Coaching-Magazin waren bisher allerdings nur die Hauptartikel online. Mit dem neuen System wurden nun alle vorhandenen Inhalte ins Netz gestellt, viele davon kostenlos. „Die Zugriffszahlen sind rapide nach oben gegangen sind, je mehr Content wir auf der Seite hatten“, erinnert sich Rauen. Das ganze Geld und die ganze Zeit, die man in Google Adwords – heute Google Ads – gesteckt habe, hätte man sich sparen können und lieber gute Inhalte produzieren sollen.
„Gute Inhalte sind viel wichtiger als Website-Optimierung“
Heute werden die Inhalte aus dem Coaching-Magazin ein Jahr nach dem Erscheinen frei ins Netz gestellt. Die Abonnenten zahlen also dafür, dass sie die Artikel sofort und exklusiv bekommen. „Der frei zugängliche Content hat uns wirklich den Durchbruch gebracht“, ist Rauen überzeugt. „Und die Zugriffszahlen korrelieren mit den Abo-Zahlen. Wer das Magazin abonniert, unterstützt uns, dass wir weiter gute Inhalte produzieren können.“
Letztlich zahlten die Abonnenten damit auch dafür, dass Wissen frei sein kann. „Je mehr Content wir haben, umso attraktiver wird unsere Internetseite“, so Rauen. „Das ist unser Erfolgsmodell.“ Sein zentrales Learning sei es, sich auf guten Content zu konzentrieren. Der Rest passiere von allein. Denn gute Inhalte würden belohnt und verbreitet. Das sei viel wichtiger als diese ganze Marktschreierei und ständige Website-Optimierung.
Datenbank, Consulting und Coaching flankieren das Magazin
Inzwischen hatte er auch sein Coaching-Geschäft deutlich ausgebaut. Heute besteht die Rauen Group aus IT-Angeboten wie einer Coach-Datenbank und frei verfügbaren Informationsportalen, einer Ausbildungsakademie, Consulting-Dienstleistungen, einem professionellen Coaching-Angebot und dem Verlag, in dem das Coaching-Magazin erscheint.
2017 kam dann der Schock für Rauen. Chefredakteur Barczynski kündigte, weil ihm der Job seines Lebens als Programmdirektor in einem kleinen Belletristik-Verlag angeboten wurde. David Ebermann wurde Chefredakteur. Doch nach ein paar Monaten kam Barczynski wieder als Redakteur zurück. Der Belletristik-Verlag hatte sich als Sackgasse entpuppt.
Der Kleinrausch Verlag: Mehr Science als Fiction
Mit Barczynski hat Rauen inzwischen den Kleinrausch Verlag für Hard Science Fiction gegründet, einem Genre mit mehr Science als Fiction. „So was wollte ich schon immer machen und David auch“, erzählt Rauen. Die Idee sei es, junge Autoren aus dem asiatischen Raum anzuwerben, die in Europa veröffentlichen möchten. „Das machen wir, weil wir beide Spaß daran haben“, sagt der Psychologe. „Wir denken einfach sehr ähnlich.“
Der nächste Meilenstein war der Abschluss des Vertrags mit der Vertriebsunion Meynen über die Übernahme des Versands und der Abrechnung, ein halbes Jahr vor der Corona-Pandemie. Davor hatten das alles noch die Redakteure erledigt. „Da habe ich gelernt, wie wichtig es ist, mit professionellen Dienstleistern zusammenzuarbeiten“, sagt der Verleger. Und letztlich lohne sich das sogar auch finanziell.
Push durch Corona
Dann kam 2020 Corona. Als erstes habe er seine Mitarbeitenden beruhigt, dass ihre Arbeitsplätze sicher sind. Denn er habe immer vernünftig gewirtschaftet und das Geld in der Firma gelassen. Aber natürlich wusste auch er nicht, welche Auswirkungen die Pandemie auf das Magazin haben werde. Doch es kam anders als gedacht. „Corona hat uns einen richtigen Push gegeben“, sagt Rauen.
Normalerweise habe man pro Monat zwischen 30 und 40 neue Abos abgeschlossen. Doch plötzlich seien es 80, 90 oder sogar 100 Abos pro Monat gewesen und auch die Zugriffszahlen auf die Website seien hochgegangen. Insgesamt habe man die Abo-Zahl mit derzeit 3000 im Vergleich zu der Zeit vor Corona mehr als verdoppelt und die Zahl sei auch stabil.
„Wir finanzieren uns primär über Abos“
Abonnieren kann man das Magazin als Printausgabe oder als PDF-Datei oder beides im Kombipaket. Inzwischen trage es sich finanziell und es bleibe sogar noch etwas übrig. Der Anzeigenverkauf spiele dabei keine große Rolle. Das sei eher ein nettes Add-on. „Wir finanzieren uns primär über die Abos“, so Rauen. Und weil es so gut lief, stellte er im Oktober 2021 mit Inez Tanzil, einer 27-jährigen Theaterwissenschaftlerin, eine vierte Redakteurin ein.
„Der Erfolg des Magazins ist der Erfolg meiner Mitarbeitenden“, sagt Rauen. „Das sind gute Redakteure, die Spaß haben, miteinander zu arbeiten.“ Er sei daher stolz, dass es ihm gelungen sei, das heutige Team so zusammen zu stellen. Natürlich habe er bei der Personalauswahl auch Fehler gemacht und Menschen eingestellt, die nicht gepasst und mehr Führung gebraucht haben. „Mein Führungsansatz verlangt von meinen Mitarbeitenden viel Eigeninitiative und selbständiges Arbeiten, da ich viele Aufgaben unter einen Hut bekommen muss“, gesteht der Psychologe. „Wer da nicht gut in der Selbststeuerung ist, der wird bei mir nicht froh.“
Eine Erweiterung des Angebots etwa mit einem Youtube-Kanal sei nicht geplant. Man konzentriere sich darauf, gute Inhalte zu produzieren und vielleicht später einmal auf sechs Ausgaben im Jahr zu gehen. „Ich bin ein Freund von organischem Wachstum und wachse daher lieber langsam, aber stetig“, sagt der Verleger. „Wenn es gut läuft, werden wir weiter expandieren.“